LG Frankfurt a. M. 2018 – Kein Mitverschulden eines Leicht­kraft­rad­fahrers an Unfallfolgen aufgrund fehlender Motorradstiefel

Unfall Mitverschulden Verkehrsbewusstsein

Oberlandesgericht München, Urteil vom 19.05.2017 
– 10 U 4256/16 –

Urteils-Tenor

Ein allgemeines Verkehrsbewusstsein, nach dem es für Leichtkraftradfahrer innerhalb geschlossener Ortschaften erforderlich ist, Motorradstiefel zu tragen, kann nicht festgestellt werden. Den Fahrer eines Leichtkraftrades trifft deshalb keine generelle, ein Mitverschulden begründende Obliegenheit, innerhalb geschlossener Ortschaften Motorradstiefel zu tragen

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Fall kam es an einem Abend im November 2012 in einer bayerischen Stadt zwischen einem Pkw-Fahrer und dem Fahrer eines Leichtkraftrads zu einem Verkehrsunfall. Der genaue Unfallhergang konnte nicht aufgeklärt werden. Nachdem das Landgericht Landshut sein Urteil fällte, musste das Oberlandesgericht München als Berufungsinstanz über den Fall entscheiden. Der BMW-Fahrer bemängelte unter anderem, dass das Landgericht nicht beachtet habe, dass der Fahrer des Leichtkraftrads nur Turnschuhe getragen hatte. Hätte er Motorradstiefel getragen, wären die Unfallfolgen geringer ausgefallen. Ihm sei daher ein Mitverschulden anzulasten.

Urteilsbegründung

Das Oberlandesgericht München lastete dem Leichtkraftradfahrer kein Mitverschulden wegen der fehlenden Motorradstiefel an. Zunächst gebe es keine über die gesetzliche Helmpflicht (§ 21 a Abs. 2 StVO) hinaus geregelte Pflicht, besondere Motorradschutzkleidung zu tragen. Ein Mitverschulden sei demnach nur anzunehmen, wenn das allgemeine Verkehrsbewusstsein das Tragen von Motorradstiefeln für Leichtkraftradfahrer innerhalb geschlossener Ortschaften vorsehe. Dies sei jedenfalls für das Unfalljahr nicht feststellbar. Für die Feststellung des allgemeinen Verkehrsbewusstseins komme es auf zureichend verlässliche Unterlagen wie Umfrageergebnisse, Statistiken und amtliche oder nichtamtliche Erhebungen an.