OLG Naumburg 2015 -Mitverschulden bei Unfall aufgrund riskanten Überholmanövers trotz zu geringen Sicherheitsabstands des Auffahrenden

Mitverschulden Auffahrunfall Sicherheitsabstand

Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 30.09.2015
– 12 U 58/15 –

Urteils-Tenor

Befindet sich ein PKW-Fahrer auf einer zweispurigen Bundesstraße mit dem Großteil seines Fahrzeuges über den langen Zeitraum von fast vier Sekunden auf der Gegenfahrbahn, um einen vor ihm fahrenden LKW zu überholen, so dass ein entgegenkommender LKW stark bis zum Stillstand bremsen muss, wobei aus diesem Grund ein hinter diesem LKW fahrender Motorradfahrer, dem die Sicht auf das Verkehrsgeschehen versperrt ist und der einen deutlich zu geringen Sicherheitsanstand einhält, auffährt, dann kommt eine Haftung des PKW-Fahrers gegenüber dem Motorradfahrer im Umfang von 60 % in Betracht.

Sachverhalt

Eine PKW-Fahrerin ist im Juni 2009 in einen Auffahrunfall verwickelt gewesen. Auf einer Bundesstraße versuchte sie ein vor ihr befindlichen Fahrzeug zu überholen, musste den Überholversuch jedoch abbrechen, da ihr ein LKW entgegen gekommen ist. Dieser musste – um eine Kollision zu vermeiden – stark bremsen, sodass der hinter dem LKW befindliche Motorradfahrer, welcher den Sicherheitsabstand um fast die Hälfte nicht eingehalten hat, auf diesen auffuhr. Der Motorradfahrer verklagte die PKW-Fahrerin unter anderem auf Schmerzensgeld.

Urteilsbegründung

Die Richter am OLG entschieden teilweise zugunsten des Motorradfahrers, welcher trotz eigenem Fehlverhalten (Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO) und dem deutlich schwerwiegenderen Fehlverhaltens der PKW-Fahrerin (Verstoß gegen § 5 Abs. 2 StVO) nur zu 40% an dem Unfall die Schuld zu tragen hat. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens bekam der Geschädigte 25.000 € an Schmerzensgeld zugesprochen. Dieser trägt erhebliche, dauerhafte Verletzungen von dem Unfall davon.